Design-Philosophie und übergeordnete Konzepte

Bei der Entwicklung einer Notationssoftware wie Dorico, die besonders für Benutzer interessant sein dürfte, die bereits mit Notationsanwendungen vertraut sind, ist eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Design erforderlich. Dorico hat ein fortschrittliches Design, das sich an musikalischen Konzepten statt an programmatischer Einfachheit orientiert, was viele Vorteile bietet.

In den meisten grafisch orientierten Notationsanwendungen stellt die Notenzeilen- bzw. Instrumentendefinition, anhand derer eine oder mehrere Notenzeilen erstellt werden, das übergeordnete Konzept dar. Wenn Sie in solchen Anwendungen Ihre Gesamtpartitur einstellen, beginnen Sie, indem Sie die richtige Anzahl von Notenzeilen hinzufügen, wodurch Sie sofort Entscheidungen in Bezug auf Layout treffen müssen. Das bedeutet, dass Sie schon im Voraus wissen müssen, ob sich zum Beispiel zwei Flöten eine Notenzeile teilen oder eigene Notenzeilen erhalten sollen oder ob es zwei oder drei Trompeten geben soll. Viele dieser Entscheidungen haben erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Eingabe- und Bearbeitungsprozess sowie auf die Erstellung einzelner Instrumentenstimmen.

Normalerweise muss jedes System in einer Partitur dieselbe Anzahl von Notenzeilen enthalten, selbst wenn einige davon in bestimmten Systemen ausgeblendet sind. Daher müssen Benutzer gemeinsame Konventionen selbst verwalten, z. B. mehrere Spieler mit demselben Instrument, die sich Notenzeilen teilen. Dies ist ein zeitaufwändiger und fehleranfälliger Prozess.

Das Design von Dorico dagegen orientiert sich deutlich enger daran, wie Musik tatsächlich aufgeführt wird. Es behandelt die Partitur als flexiblen Ausdruck der praktischen Entscheidungen, die in eine musikalische Darbietung einfließen, anstatt die Ausführung der Art und Weise unterzuordnen, in der die Partitur ursprünglich ausgelegt war.

In diesem Sinne ist das übergeordnete Konzept von Dorico die Gruppe von menschlichen Musikern, die eine Partitur ausführt. Eine Partitur kann für eine Gruppe, aber auch für mehrere Gruppen geschrieben werden, zum Beispiel für einen Doppelchor oder für ein Orchester mit einem zusätzlichen Kammerensemble, das jenseits der Bühne spielt, und so weiter. Jede Gruppe enthält einen oder mehrere Spieler, die den menschlichen Musikern entsprechen, die ein oder mehrere Instrumente spielen. Spieler können entweder einzelne Personen sein, die mehr als ein Instrument spielen (zum Beispiel ein Oboist, der außerdem Englischhorn spielt), oder Gruppen, in denen jeder nur ein Instrument spielt (zum Beispiel acht Geiger).

Ein wichtiger Unterschied zwischen Dorico und anderen Notationsanwendungen besteht darin, dass der Noteninhalt unabhängig von dem Partitur-Layout ist, in dem er angezeigt wird.

Die eigentlichen Noten, die von der Gruppe in Ihrer Partitur gespielt werden, gehören einer oder mehreren Partien an. Eine Partie ist ein eigenständiger Abschnitt von Noten, zum Beispiel ein ganzes Lied, ein Satz einer Sonate oder Sinfonie, eine Musicalnummer oder auch eine kurze Skalen- oder Blattspielübung. Spieler können in einer bestimmten Partie Noten zu spielen haben oder auch nicht. Beispielsweise könnten alle Blechbläser aus dem langsamen zweiten Satz einer klassischen Sinfonie geschnitten werden oder bestimmte Spieler bei manchen Filmcues nichts zu spielen haben. All das ist kein Problem, da Sie Spieler innerhalb von Partien beliebig kombinieren können.

Doricos Design-Philosophie bietet viele Vorteile. Einer der wichtigsten ist die Möglichkeit, unterschiedliche Partitur-Layouts mit demselben Noteninhalt zu erstellen. So können Sie zum Beispiel im selben Projekt eine Dirigentenpartitur, in der so viele Instrumente wie möglich in einer geringeren Anzahl von Notenzeilen zusammengeführt sind, eine Gesamtpartitur mit den Noten jedes Spielers in separaten Notenzeilen, ein benutzerdefiniertes Partitur-Layout mit ausschließlich Klavier- und Gesangsnotenzeilen für Chorproben und eine Einzelstimme für jeden einzelnen Spieler erstellen, die nur dessen Noten enthält.